Bezirksentscheid Köln-Süd in Rheinbach : Rhein-Sieg siegte beim Vorlesen
Der Bezirksentscheid des Bundesweiten Vorlesewettbewerbs im Pfarrzentrum St. Martin am 25. März zeigte große Vorlesekunst und Rheinbach sich einmal mehr als guter Gastgeber. Konrad Hebeler aus Siegburg sowie Luis Rossenbach aus Hennef hatten am Ende knapp die Nase vorn. Auch die dritte Rhein-Sieg-Kreis-Qualifikantin, Jule Liess aus Rheinbach, glänzte vor rund 100 Besucherinnen und Besuchern.
„Ich sage jetzt nicht, dass ihr alle Gewinner seid, denn so fühlt es sich für die meisten ja nicht an“, resümierte die Bonner Kinder- und Jugendbuchautorin Kyra Dittmann als Mitglied der Jury bei ihrer Laudatio. „Gewonnen hat auf jeden Fall Euer Publikum.“ In der Tat war das Niveau des diesjährigen Bezirksentscheids Köln-Süd außergewöhnlich hoch. Vielleicht lag es auch an vielen gut durchdachten Kleinigkeiten bei der Durchführung der Veranstaltung, die den jungen Vorleserinnen und Vorlesern aus Euskirchen, Heinsberg, Aachen, Düren, Bonn und Rhein-Sieg ihre besten Leistungen bei der Gestaltung ihrer Texte ermöglichte.
Das lokale Veranstaltertrio aus Buchhandlung Kayser, Öffentlicher Bücherei St. Martin und uns, dem Verein Rheinbach liest e.V., hatte sich enorm ins Zeug gelegt. Eine gründliche Mikroprobe mit dem „Herrn der Töne“, Dieter Peters, ein gemeinsames Warm-Up für Körper und Stimme, angeleitet von Rampenwutz-Ensemblemitglied Ricarda Kowaleski, und die humorig-empathische Moderation auf der liebevoll hergerichteten Bühne durch Landstürmer Heiko Hecking und Victoria Schaay trugen zum guten Gelingen bei. Die mittlerweile 16-jährige hatte 2018 den Titel der besten Vorleserin Deutschlands nach Rheinbach geholt und weiß genau, wie aufgeregt Kinder in einer solchen Situation sind. Auch die unmittelbar nach dem Vortragen der Wahltexte gegebenen Feedbacks der Jury (Thomas Pelzer, Kyra Dittmann, Anja Martin, Wictoria Makarewicz und Julius Esser) machten den schon früh am Morgen angereisten Kreis- und Stadtsiegern Mut und ließen ihre Gesichter strahlen.
Ein erstes Ausrufezeichen gleich zu Beginn setzte Lena Marianna Büchel aus Titz, die für den Kreis Düren-Nord an den Start ging. Sie las aus „Agnes und der Traumschlüssel“ der finnischen Autorin Tuutikki Tulonen. Konrad Hebeler (Rhein-Sieg II) hatte sich Michael Endes Klassiker „Der satanologische…Wunschpunsch“ ausgesucht. Er gestaltete die Figuren, wie den aalglatt-bösen Zauberer Irrwitzer, sehr engagiert im Stil eines Rufus Beck. Jule Liess fand in Lauren Wolks „Das Jahr, in dem ich lügen lernte“ eine Gänsehautstelle. Die dramatische Handlung spielt im Jahr 1943 in der US-amerikanischen Provinz. Dort muss sich Annabel gegen die kalte Brutalität ihrer älteren Mitschülerin Betty behaupten und ihre jüngeren Brüder schützen. Die 12-jährige Merzbacherin könnte man sich mit ihrer warmen Stimme, der natürlich klaren Artikulation und der nuancierten Gestaltung gut als Hörbuchsprecherin vorstellen.
Ähnlich intensiv und anspruchsvoll war die Stelle aus „Der gelbe Vogel“ von Myron Levoy, die Luis Rossenbach gewählt hatte. Luis musste nicht nur die beiden Hauptfiguren (Naomi, ein traumatisiertes jüdisches Mädchen, und Alan, der ihr helfen soll) sprechen lassen, sondern auch ihre Stimmen gestalten, wenn sie über eine Puppe als Medium kommunizierten. Das brachte ihm ein Sonderlob der Jury ein.
Nach der Pause, die durch ein reichhaltiges Buffet versüßt wurde, starteten Hecking und Schaay spontan mit einem hochinteressanten Publikumsgespräch zum Thema „Vorlesen“, bevor Ehrengast Sam Hasnik (NRW-Sieger 2022), Silas Worm (Bezirkssieger und NRW-Finalist 2020) aus Wormersdorf, Ana Groß (Schulsiegerin KAG Meckenheim) sowie Victoria Schaay den Fremdtext, „Mitten im Dschungel von Katherine Rundell, anlasen. Die besondere Herausforderung für die elf jungen Vorlesekünstler bestand darin, das Publikum anhand von jeweils markierten 2-Minuten-Passagen ohne vorherige Übung weiter in die Handlung zu entführen. Auch hier gehörten die drei Kinder aus dem Rhein-Sieg-Kreis zu den Besten. Nach dem knappen Votum der Jury ist die Reise zum Bundesfinale in Berlin für Jule leider zu Ende. Nun dürfen sich Luis und Konrad auf den NRW-Entscheid im Mai vorbereiten und bekamen sogleich die Unterstützung des Vorleseteams Rheinbach angeboten. „Vielleicht rhein-siegt es ja in der nächsten Runde noch weiter!“, schmunzelte unser Vereinsmitglied Gerd Engel gemeinsam mit Janina Glöden (Kayser-Team) und Büchereileiterin Daniela Hahn.
Aus Rheinbacher Sicht war das Ende von Jules Lesereise der einzige Wermutstropfen. Die Veranstaltung selbst kann als „großer Erfolg“ verbucht werden. Die Atmosphäre im Raum wurde durch viele Kinder mit Plakaten geprägt, die intensiv zuhörten und mitfieberten. In diesem Sinne äußerte sich auch Jules Lehrerin Sarah Lessenich vom Städtischen Gymnasium: „Ich fand den Wettbewerb schön und wertschätzend.“ Und Luis Vater urteilte: „Tolle Organisation mit tollen Menschen.“ Mit diesem Rückenwind geht Rheinbach nun auch den Grundschulwettbewerb „Laut oder deutlich!“ am 12. Juni an. Jule und die anderen lokalen Schulsieger Ana, Felix und Evelyn stehen mit dem jungen Vorleseteam Rheinbach bereit, die nachfolgende Generation aus den 4. Klassen gut vorzubereiten.